Boofen - Freiübernachtung im Gebirge



Boofenschild

Der Begriff "boofen" wurde im Laufe der Jahre umgangssprachlich von "pofen" (schlafen) abgeleitet. Bei einer "Boofe" handelt es sich um eine Freiübernachtungsstelle (Höhle oder Felsüberhang) für Kletterer und Bergsteiger. Bis vor wenigen Jahren waren viele Boofen noch liebevoll ausgebaut und mit einer Feuerstelle versehen. Aufgrund des Nationalparkstatus ist es inzwischen grundsätzlich verboten, Feuer zu entfachen. Ein rücksichtsvolles Verhalten gegenüber der sensiblen Natur ist die wichtige Voraussetzung für das Fortbestehen dieser naturnahen Tradition.

Im Bereich des Nationalparks Sächsische Schweiz gibt es 57 offiziell zugelassene und entsprechend ausgewiesene Boofen (siehe Boofenliste). Man erkennt die erlaubten Boofen einfach am gut sichtbar montierten Hinweisschild "Freiübernachtungsstelle" (siehe Foto). Bis heute hat sich aber auch eine gewisse Boof-Kultur erhalten. Die "Sitzgruppe" besteht meist aus dicken Baumstämmen, die im Rechteck platziert sind. Unrat wird stets von den Boofern und Wanderern mit ins Tal gebracht. Die abendlichen Teelichter lassen entsprechende Romantik aufkommen, auch wenn es zum Wurstgrillen nicht reicht. Rotwein fließt meist in Strömen.
Im Landschaftsschutzgebiet Elbsandsteingebirge, welches die umliegenden Gebiete der Nationalparkregion umfasst, ist das Freiübernachten erlaubt (allerdings kein Zelten, außer an Biwakhütten am Forststeig). In Naturschutzgebieten, wie der Pfaffenstein, gelten ähnliche Regeln wie im Nationalpark.

Achtung! : Seit 2022 ist das Boofen im Nationalpark von Anfang Februar bis Mitte Juni verboten. (siehe Seiten des Nationalparks)

Historie

In der Vergangenheit (Mittelalter bis Ende 2. Weltkrieg) waren die Höhlen und Grotten im Elbsandsteingebirge eher keine romantischen Orte. Sie dienten teilweise Räubern und Wegelagerern als Unterschlupf für Raubzüge und Überfälle auf die Handelswege zwischen Sachsen und Böhmen. Die Idagrotte am "Vorderen Raubschloss" bezeugt ja schon im Namen eine bewegte Vergangenheit.
Das zweitgrößte Felstor im Elbsandsteingebirge, der "Kuhstall", fand erstmals 1410 Erwähnung. Herinrich Berka von der Duba (böhmischer Uradel) erbte das Herrschaftsgebiet Wildenstein. Diese Burg befand sich auf dem Neuen Wildenstein, zu der auch das Felstor "Kuhstall" gehörte. In diesem riesigen Steintor wurde das von den Untertanen geraubte Vieh untergebracht. Diesem Raubrittertum wurde aber 1451 durch die Wettiner ein Ende bereitet. Während des 30-jährigen Krieges war das Felstor für die Bauern ein wichtiges Versteck für ihr Vieh. Marodierende schwedische Soldaten fielen wiederholt in die sächsischen Bergdörfer ein.
In der Zeit des Naziregimes versteckten die "Roten Bergsteiger" (Vereinigte Kletterabteilung) eine Druckmaschine in der Höhle am Satanskopf. Hier stellten sie Flugblätter und eine illegase Zeitung her. In der Siebenschläferboofe versteckten sich in den letzten Kriegsmonaten junge Männer, die der Einberufung entgehen wollten.

1945 bis zur Wende 1989

Das Freiübernachten in Boofen wurde aber schon mit Beginn der Kletterei im Elbsandstein immer beliebter. Es gab in vielen Klettergebieten des Gebirges kaum Unterkünfte. In den Jahren nach 1950 wurde die Villa Fernblick zu einer der legendärsten Boofen im Elbsandsteingebirge.

Die Oktoberboofe wurde vom 7.Oktober 1960 bis zum Frühjahr 1961 von der Seilschaft G.Hesse, I.Hesse, K.Kießling, H.Wagner sowie J.Wiehe erbaut. Anfänglich aus Liebe zur Sächsischen Schweiz errichtet, erlangte sie nach dem Mauerbau im Sommer 1961 immer mehr Bedeutung als Zufluchtsort vor dem sozialistischen Alltag. Die sogenannte Max und Moritz Boofe wurde wahrscheinlich von Grenzsoldaten der ehemaligen NVA angelegt. Sie war schwer erreichbar. Als eine der am besten ausgebauten Boofen mit super Aussicht galt die Villa Bärenhaut. Doch alle Boofen erlitten das gleiche Schicksal ... sie wurden abgerissen.

(Texte und Bild mit freundlicher Genehmigung des Klettervereins Fernblick leicht angepasst)

Seit DDR-Zeiten (und wahrscheinlich schon vorher) wird das Boofen vom Staat und verschiedenen Behörden "misstrauisch beäugt". Im Krieg waren es Wehrdienstverweigerer oder Widerstandskämpfer, danach waren es junge Leute, die dem DDR-Alltag oder dem "eingesperrt sein" entfliehen wollten und heute sind es wieder junge und jung gebliebene Zeitgenossen, die dem Tourismus- und Medien-Mainstream für sich selbst etwas zutiefst menschliches entgegensetzen wollen - nähmlich ein unverfälschtes, kommerzfreies Naturerlebnis.


Diese Aktivitäten blieben der damaligen Staatssicherheit nicht verborgen. Nach Ansicht der Stasi war das Boofen Ausdruck eines "Machen können – was und mit wem man will" (BStU, MfS, BV Dresden, BdL, Nr. 10243, Bl. 14). Und nicht nur dies, es kam vermehrt auch zu negativen Vorkommnissen, zum Beispiel zu "Alkoholexzessen", Verwüstungen und vereinzelt auch zu Bränden (BStU, MfS, BV Dresden, Abt. XVIII, Nr. 14688, Bl. 4).

Parteiinformation an die Bezirksleitung der SED Dresden über "das starke Ansteigen touristischer Aufenthalte durch jugendliche Personenkreise in der Sächsischen Schweiz und in diesem Zusammenhang zunehmende Verstöße gegen Ordnung und Sicherheit" vom 30.09.1985:
Nach vorliegenden Erkenntnissen haben die touristischen Aufenthalte Jugendlicher/Jungerwachsener im Urlauberzentrum und Landschaftsschutzgebiet Sächsicher Schweiz erheblich zugenommen. Es ist feststellbar, daß in den zurückliegenden Jahren, das aus Abenteuerlust geborene Interesse der Jugend an ungezwungenen nicht reglementierte Formen der Erholung in der Natur ständig gestiegen ist. Dafür bildet die Sächsische Schweiz mit ihren natürlichen Bedingungen (Felsen, Höhlen, Waldgebiete, Elbenähe) günstige Möglichkeiten.
Besonders beliebt unter der Jugend ist das sogenannte Boofen. Darunter wird 'wildes' übernachten an wettergeschützten natürlich entstandenen Stellen im Felsgebiet der Sächsischen Schweiz verstanden. Nach Schätzungen hielten sich beispielsweise Ostern 1985 ca. 400 Personen im Bielatalgebiet, Raum Ottomühle, und Pfingsten 1985 ca. 6.000 - 8.000 Jugendliche/Jungerwachsene zwischen Hinterhermsdorf und Schmilka auf. Allein ca. 1.000 Personen nächtigten im Naturschutzgebiet Winterberg/Zschand (830 ha). Die Anreise erfolgte zumeist mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Durch die hohe Frequentierung der Sächsischen Schweiz kommt es zu einer immer stärkeren Belastung der Umwelt insbesondere des Landschaftsschutzgebietes und der Naturschutzgebiete. Immer häufiger werden Verstöße gegen die Bestimmungen des Landeskulturgesetzes im Landschaftskulturgesetzes im Landschaftsschutzgebiet und im Territorium der Sächsischen Schweiz bekannt...

  • Die Boofe am Gamrig, ein Fels zwischen Rathen und Waltersdor wird fast jedes Wochenende vorwiegend durch negativ-dekadente Personen im Alter zwischen 16 und 30 Jahren belegt. Durch die ca. 30 männlichen und weiblichen Personen, die nackt herumlaufen, werden hauptsächlich Trinkgelage veranstaltet.
  • In Oberförstereien des Staatlichen Forstwirtschaftsbetriebes Königstein (z. B. in Cunnersdorf) wurden Schutzhütten der Forstarbeiter aufgebrochen und verwüstet.
Quelle: BStU, MfS, BV Dresden, Abt.XVIII, Nr. 14688, Bl. 4


Doch weder die Staatliche Forstwirtschaft, der Bergunfalldienst noch die Naturschutzhelfer ahndeten diese Vergehen gegen die Verhaltensordnung, die für das Landschaftsschutzgebiet Sächsische Schweiz 1983 festgelegt worden war – so die Kritik der Stasi (BStU, MfS, BV Dresden, BdL, Nr. 10243, Bl. 25). Für die Stasi waren die registrierten "Vorkommnisse" aber weitaus mehr als nur Verstöße gegen die geltenden Verhaltensregeln. Für sie waren diese Vorkommnisse Ausdruck der oppositionellen Einstellung der Jugendgruppen und führten unter anderem zu einem verstärkten Interesse der Stasi an den jugendlichen Boofern. So erstellte die Stasi sogenannte "Kontrollkarten" auf denen sie bekannte Boofen katalogisierte und Informationen zu ihnen sammelte. Die Kontrollkarten enthielten Informationen zum Standort der Boofen, zur Erreichbarkeit und zu Nutzern. Aus einem Bericht der Kreisdienststelle Pirna aus dem Jahr 1983 geht hervor, dass der Stasi zu diesem Zeitpunkt 50 Höhlen und 55 Boofen in der Sächsischen Schweiz bekannt waren (BStU, MfS, BV Dresden, KD Pirna, Nr. 71476, Bl. 1).
1985 waren 85 Boofen registriert (BStU, MfS, BV Dresden, BdL, Nr. 10243, Bl. 24). Darüber hinaus wurden Klettervereine und deren Mitglieder genauer ins Visier genommen.

1989/90 begann für die Sächsische Schweiz ein neues Kapitel. Sie zeichnet sich, nun als anerkannter Nationalpark, durch viele Dinge aus, wie die unverwechselbar schöne Landschaft aus Felsen und Wäldern oder eine beeindruckende Artenvielfalt. Aber auch durch eine abwechslungsreiche Geschichte, die aus den Stasi-Akten hervorgeht. Sie war nicht einfach nur ein sehr erfolgreiches Touristenziel und Traum von Bergsteigern. Der heutige Nationalpark war ein Rückzugsort für alle in der DDR, die gerade einen solchen brauchten. Ein Urlaub fernab der Überwachung und Einzäunung war hier möglich und wurde nur allzu gern von Jugendlichen und Bürgern aus der gesamten DDR genutzt.
(Texte und Bild mit freundlicher Genehmigung des Stasi Unterlagen Archiv)


Heute

Früher, wie heute muss man leider mit (nicht immer) von Menschen verursachten, Problemen rechnen. Die aktuelle Situation durch eine jahrelange Borkenkäferplage führt inzwischen zu teilweise und vollständigen Waldsperrungen. Viele Jahre wurde der Borkenkäfer als "Helfer" beim natürlichen Waldumbau geduldet (siehe Schautafel am Reitsteig) und jetzt leidet der Wald selbst, der Tourismus in der Region und letzten Endes jeder Forstarbeiter. Auch wenn die Käferplage endet, ist der Wald in extremer Gefahr. Der Windbruch bei toten Bäumen, die Ausspülung jetzt ungeschützter Felshänge sowie die potentielle Gefahr von Waldbränden im "urwaldbelassenen" Totholz, richten weiteren Schaden an.

Das soll aber keinen Boofer abschrecken, diese schöne Tradition fortzuführen. Es ist einfach selbstverständlich, dass sich jeder an die Boofregeln hält und ansonsten Vernunft walten lässt. Man ist gut beraten, vor dem Boofen nochmal die Informationen der Nationalparkverwaltung zu eventuellen Sperrungen zu lesen. Rauchen im "furztrockenen" Wald ist auch keine gute Idee.
In den vergangenen Jahren wurden bei den (glücklicherweise seltenen) Waldbränden durch die Medien meist die Boofer als Ursache angegeben. In den meisten Fällen waren es aber nur Vermutungen (mit anschließenden Dementi). Also verhaltet Euch achtsam im Wald aber selbstbewusst bei Anfeindungen. Die Sache macht einfach zu viel Spaß !